Dezember 15, 2015

Nostalgia

Nachdem nun doch so unglaublich schnell mein letztes Wochenende in Tokyo vor der Tür stand, war ich etwas planlos und fast ebenso paralysiert wie zu Beginn meines Aufenthalts. Womit sollte ich die Zeit verbringen? Stellt Euch nur vor, das letzte Wochenende... Müßte das nicht nochmal etwas besonderes sein? So etwas bildet man sich ja ein und setzt sich damit nur selbst unter Druck.


Samstag hatte ich mich, obwohl das Wetter ganz gut war, zu nicht allzu viel aufraffen können, die Nächte der vorangegangenen Woche waren allesamt zu kurz gewesen, da ich mit Vorbereitungen für den Rückzug beschäftigt war und zwei Abende durch Einladungen zu Kollegen blockiert, ich war müde, wollte mit meiner Weihnachtspost beginnen und war dann im Endeffekt nur hier im Viertel noch einmal kurz unterwegs. Was also noch am Sonntag tun? Bei der Durchsicht meiner Handyfotos sprang mit ein Bild ins Auge, das ich von einem Werbungsplakat im Zug gemacht hatte. Es ging um "Winter Fantasia" an einem Ort namens Toshimaen, keine Ahnung, wo und um was es sich da handelte, wobei ich schon hätte darauf kommen können, dass es ein Park (Endung -en) sein mußte. Also kurz gegoogelt und entschieden, dort am Sonntag hin zu fahren. Erstens nämlich garnicht weit weg von Ikebukuro, "meinem" Viertel, vielleicht 15 Minuten mit der Bahn, die richtige Linie gleich vor der Tür. Und Toshimaen ist ein alter Vergnügungspark. So etwas mag ich ja, schon etwas in die Jahre gekommen. Irgendwo hatte ich gelesen, bereits aus den 30ern, ich weiß allerdings nicht, ob das tatsächlich richtig ist. Es gibt dort im Sommer scheinbar einen Wasserpark, aber mittlerweile ist ja nun Dezember. Und außerdem war am Sonntag das Wetter leider grau, regnerisch und nieselig, aber ich raffte mich trotzdem auf und ich habe es nicht bereut.
Ich kam am späten Nachmittag, es war noch hell, dort an und brauchte nur 500 Yen Eintritt (also nur Eintritt ohne Nutzung von irgendwelchen Gefährten) bezahlen, aber ich wollte ja auch nur schauen. Menschen mit sichtbaren Tattoos werden laut einem deutlichen Hinweis am Eingang nicht eingelassen. Da haben wir es mal wieder, das Onsen Problem, vielleicht gilt das aber eben besonders im Sommer, wenn der Wasserpark in Betrieb ist. Es war aufgrund des Wetters nicht allzuviel los. Die schon etwas in die Jahre gekommenen Attraktionen vermittelten aber gerade bei dem Wetter wie ich fand, eine besonders nostalgische Stimmung, als würde die Feuchte und Kühle das Abgeblätterte noch mehr aus der Zeit fallen lassen. Es gab einen fliegenden Teppich, ein recht großes Karussell, das eindeutig in einem deutschsprechenden Land gefertigt worden ist oder zumindestens in einem solchen als erstes stand. Eine Achterbahn und alle möglichen anderen Gefährte, einen Autoscooter. Eine Eisbahn mit "Biergarten" und einer Schlittschuhleihstation.


















Und als es dunkel wurde, wurde die Umgebung des großen Karussells durch die dort für die Winter Fantasia aufgestellten Blumen, Pilze, holländischen und Hänsel und Gretel Knusperhäuschen oder russischen Märchenszenen in buntes Licht getaucht. Was glaubt Ihr, aus welcher Zeit diese Pilze und alles stammen? Auf mich wirkt das wie die sechziger oder siebziger Jahre, ich weiß nicht genau, warum. Von den Nadelbäumen tropfte das Licht, zahlreiche Lichterketten und Girlanden. Ich fühlte mich ein wenig an Kopenhagens Tivoli im vergangenen Advent erinnert, wenn ich dort auch in der Vorweihnachtszeit noch nicht drin war, aber ich erinnere mich auch an unzählige Lichter. Und plötzlich war recht viel los.










Neben Eltern mit Kindern waren auf einmal zahlreiche Cosplayer unterwegs. Da habe ich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. In den Yoyogi Park hatte ich es ja nun in meiner Zeit hier sonntags irgendwie auch nicht geschafft, aber der Sonntagabend im Toshimaen hat mich dafür ein wenig entschädigt. Darf ich vorstellen: Kaito Kid.



Dessen Namen kenne ich auch nur aufgrund eines Kommentar bei Instagram, mit den zahllosen Mangas kenne ich mich ja überhaupt bis minus einhundert überhaupt nicht aus. Ein Ameisenmann war unterwegs, ein grüner Fuchs, eine Weihnachtsfrau darf auch in Japan nicht fehlen, diverse andere Figuren in bunten Kleidern und farbigen Perücken, ganze Gruppen, alle mit Kamera bewaffnet, um Fotos zu machen vor der farbigen Lichterkulisse. Oder sogar auch mit professionellem Equipment, Reflektoren etc. Auf jeden Fall war es eine besondere Atmosphäre, aber irgendwann wurde es dann doch recht kalt und klamm und ich machte mich wieder auf den Heimweg. Ein besonderer letzter Sonntagabend.









Keine Kommentare :

Kommentar veröffentlichen