September 02, 2015

von Harajuku nach Shibuya

Letzten Samstag bin ich bei Dauernieselregen los gezogen, um Harajuku zu erkunden und abends noch einen kurzen Abstecher nach Shibuya zu machen. Harajuku ist ja bekannt als Viertel für die etwas ausgeflippte und modeverrückte Jugend, aber ich muss sagen, so extrem ist mir das garnicht aufgefallen. Vielleicht lag es auch am Wetter, dass nicht so viele Leute in ihrer speziellen Aufmachung unterwegs waren oder stehend posierten (im Regen macht das einfach nicht so viel Spaß), ein paar kamen schon vorbei, aber im Regenschirmmeer waren sie schwer rechtzeitig auszumachen. Auch abends in Shibuya waren ein paar zu sehen, aber bei dem Wetter und nach einem langen Tag hatte ich nicht mehr den Blick, alles wahr zu nehmen. Aber ich bin zuversichtlich, dass mir in meiner Zeit hier noch ein paar Besonderheiten begegnen werden. 


Los ging es durch die Takeshita-dori, wo sich einige Läden aneinander reihen, deren Angebot nicht ganz dem standardisierten Kleidungsgeschmack entsprechen mag, aber ich hatte mir das ganze in der Tat noch extremer vorgestellt. Einmal abgesehen von den vielen Leuten, die durchaus meinen Erwartungen entsprachen und es waren nicht nur Touristen.  Es gab auch einen Zuckerwatteladen, der sich großer Beliebtheit erfreute (riesige, bunte Torten – ich bin inzwischen teilweise dazu übergegangen, die Leute zu fragen, ob ich ein Foto machen darf, wenn offensichtlich ist, dass ich in deren Richtung fotographiere), sonstige Süßwarenstände mit Crepes in aller Art und einen Eisladen, der hatte ein Softeis, meine Güte. Das schmeckte wie Kondensmilch pur, hört sich jetzt irgendwie ein wenig grauslig an, aber ich fand‘s göttlich, auch die sehr feste Konsistenz und dann im Kombination mit Krokantstreuseln – lecker). Der heißt Zakuzaku und es hätte auch noch ein Gebäck gegeben, gefüllt mit einer Creme (wahrscheinlich Vanillecustard oder ähnliches), das sich großer Beliebtheit erfreute. Die Schlange vor dem Laden war jedenfalls weit und breit eine der längsten, deshalb hatte ich mich auch einfach einmal eingereiht. Es hat sich gelohnt, wenn ich auch kein Foto meiner Eiswaffel gemacht habe, so wie alle anderen, die um mich herum standen.









Raus aus dieser Strasse führte mich mein Weg beim Gebäude des „Design festa“ vorbei, das an sich ist interessant, nicht groß, aber alternative Kunstszene par excellence (wie man sie sich so vorstellt, allerdings doch auch schon wieder gemäßigt, Graffiti Bilder an den Wänden, verschraubte Rohre als Dekoration vor dem äußeren Zugang…) und ebenfalls interessant zu sehen, was die Leute dort alles ausstellen. Ich bin mir nicht sicher, was hier als Definition eines „Künstlers“ zum Tragen kommt, teilweise wirkten die Sachen wie hobbymäßig hergestellt, einfach weil es Spaß macht. In einem Raum saßen zwei Mädchen umgeben von, wahrscheinlich selbstgenähten, Rüschenkleidern, die aussahen, als würde sie noch zur Schule gehen (die Mädchen, nicht die Kleider). Es gab Zeichnungen (mangastyle), auch nicht viel „erwachsener“, Fotos von einem Lebensmittelhersteller, der „organic“ arbeitet (was daran „Kunst“ ist), eine Fotoausstellung einer Gruppe. Was für eine Mischung. Die Design Festa an sich ist ist ein riesiges Kunstevent. Vielleicht bekomme ich davon im Herbst dann auch noch etwas mit.










Eigentlich war ich noch auf der Suche nach der Killer-dori, ich bin mir nicht sicher, ob ich sie gefunden habe, ich glaube nicht. Oje, das übliche Thema. Aber dafür habe ich die normalen Pfade verlassen und war teilweise in reinen Wohngebieten unterwegs, bis ich dann wieder zurück in Richtung der großen Hauptstrassen inklusive der Omotesando gefunden hatte.
Es gab einen streetfood Markt (hüben wie drüben die gleichen Trends einmal abgesehen von den hawaianischen Speisen), ich kam an einem großen „organic“ Markt vorbei, der auf dem Vorplatz der United Nations University gegenüber des Campus der Aoyama Gakuin Universität aufgebaut war (inklusive einem kleinen Antikmarkt) und auf der Brücke zwischen den beiden Universitäten an den Iris auf dem Boden.






Das Gebiet seitlich bzw zwischen Aoyama dori und Omotesando, die wie so viele der großen Einkaufsstrassen hier die xte Ladenausgabe aller bekannten Designermarken beheimatet (die Gebäude sind da meines Erachtens noch der spektakulärste Grund einmal dort entlang zu schlendern, genauso wie in Ginza), hat mir dabei aber ganz gut gefallen. Es scheint eine nette Mischung zu sein aus mehr oder weniger reinen Wohngebieten mit relativ flacher Bebauung, aber auch einzelnen kleinen Läden, Geschäften, Friseuren, convenience stores und was man so benötigt. Zwischen den Hausdächern lugte dann auf einmal ein gothisch anmutender Kirchturm hervor. Huch dachte ich, da muss ich mal suchen gehen, und um ein paar Ecken gebogen stand ich vor einem neogothischen, kitschigen Etwas, in dem scheinbar gerade eine Hochzeit statt gefunden hatte.  Die Bebauung rund um schien ebenfalls noch dazu zu gehören, mit kleineren oder vielleicht auch größeren Veranstaltungsräumlichkeiten, in denen sich gerade eine Gesellschaft aufhielt. An einer ähnlichen Kapelle ganz in der Nähe war ich bereits früher am Tag vorbei gekommen. Jaja, die Vorstellung der Romantik.












Die fand ein jähes Ende am Schluß der Omotesando, wo diese über die Eisenbahnbrücke in den Yoyogi Park führt, dort war nämlich (schon wieder) eine Bühne aufgestellt, auf der, teilweise etwas martialischer, große Tanzgruppen ihre Darbietungen präsentierten, in „japanisch“ anmutenden Gewändern, mit Fahnenschwingern und lauter Musik.



Dort hielt ich mich nicht mehr lange auf, sondern lief weiter Richtung Shibuya Station, vorbei an Klein-Neuschwanstein, hinein ins Gewimmel, wo ich ja bereits vor ein paar Jahren einmal abends war. Nun also auch wieder abends. Lichtermeer, viele Leute, farbiges Geblinke, Lärm und Shibuya Crossing. War ich froh, als ich in meinem (relativ) stillen Kämmerlein später die Füße hoch legen und die Äuglein schließen konnte.





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