September 12, 2015

Papierwarenliebesrausch

Nachdem es die ganze Woche hier auf dem Blog sehr still war, weil ich jeden Abend damit beschäftigt war, die anstehenden verlängerten Wochenenden und Urlaubswochen zu planen (und ich sage Euch, das hat mich wirklich ziemlich gestresst, aber dazu dann mehr, wenn es tatsächlich um meine Erkundungstouren außerhalb Tokyos gehen wird), nun also endlich mal zum schon so oft erwähnten Papierthema.


An meinem ersten Wochenende in Tokyo habe ich gleich bei mir um die Ecke einen schönen Papierwarenladen entdeckt, in dem allerdings das Fotographieren nicht gestattet war. Was die nur immer alle haben, verstehe ich nicht. Ist ja nicht so, dass ich nichts kaufen oder das Papierdesign klauen würde. Ich wurde freundlich darauf hingewiesen, denn Hinweisschilder hatte ich keine gesehen bzw nicht beachtet (beim Verlassen des Geschäfts habe ich sie dann entdeckt), aber zu dem Zeitpunkt hatte ich doch auch schon ein paar mal auf den Auslöser gedrückt.






In einem der department stores hier in Ikebukuro haben auch Itoya und Kyukyodo eine kleinere Niederlassung direkt nebeneinander (genauso wie die beiden großen Geschäfte in Ginza ganz nah zusammen liegen) und auch bei Tokyu hands und vor allem Loft kann man so einiges finden, was mehr in Richtung allgemeine Aufkleber (was hier an Aufklebern geboten ist, ist auch eine Schau, für jeden was dabei) und „gemeine“ Papierwaren geht, wobei da auch das ein oder andere Schätzchen zu entdecken ist. Kyukyodo sagte mir vorher garnichts, aber der ist wohl neben Itoya einer der ganz alt eingesessenen und man findet dort auch washiartiges Papier aufgerollt im Mass z.B. 19,5 x 400 cm (keine Ahnung wie das heißt und wofür es benutzt wird, das kannte ich vorher garnicht), wirklich schön. Den Hauptladen von Kyukyodo habe ich kürzlich ebenfalls besucht. Im Wesentlichen gibt es dort natürlich ähnliche Produkte, aber auch wiederum andere Sachen. Der erste Stock ist interessant für alle, die sich für Kalligraphie interessieren, denn dort gibt es eine ganze Wand mit unglaublichen Pinseln, Tinten- und Pinselgefäße jeglicher Art, teilweise sahen die Behältnisse auch recht antik aus, und auch Räucherwerk wird verkauft. Der Ausstellungsraum duftet jedenfalls ziemlich nach Räucherstäbchen. An sich wirkt der ganze Laden deutlich altmodischer, das mag aber auch damit zusammen hängen, dass Itoya ja scheinbar vor nicht allzu langer Zeit neu eröffnet und wahrscheinlich im Zuge dessen gehörig modernisiert hat. Aber bei Kyukyodo wiederum Fotographierverbot und alle zwei Meter ein Verkäufer.
Bei Itoya in Ginza habe ich brav gefragt, ob ich auf den Auslöser drücken darf und bekam eine positive Antwort - na bitte, geht doch!
Dort findet man noch viel mehr als nur Papierwaren, auch Büroutensilien, Haushaltswaren, Dekorationsartikel, Bastelzubehör und im Keller gibt es die erwähnte Inspiration Hall (in der die Präsentation der Tenugui von Kamawanu stattgefunden hatte). Der Laden in Ginza selbst ist recht schmal und man muss sich von Stockwerk zu Stockwerk über eine Rolltreppe vorarbeiten und dabei alle Ebenen durchqueren, weil die Rolltreppe eben nicht im 180° Winkel weiterführt (die Fahrstühle dagegen sind immer so eine Sache, meistens wartet man ewig, weil es einfach zu voll in den ganzen Kaufhäusern ist), bis man im 8F endlich bei den tollen japanischen Papieren landet. Vorher kommt man aber beim Briefpapier und den allgemeinen Karten und Aufklebern vorbei (Erdgeschoss und erster Stock, wenn ich diese Auswahl auch im Papierwarenbereich so sehe, müssen die Japaner auch tatsächlich gerne noch Papier zum Schreiben benutzen, nicht nur email, sms und sonstige Dienste) und dann hier an dieser Wand, diese Art der Präsentation muss auch erstmal wieder jemand nachmachen, die geht natürlich links und rechts noch weiter, wie man sieht, fehlt auf dem Bild mehr oder weniger die gesamte gelb-orange-rot-pink-Palette.


An dieser Wand ist alles „Standardpapier“ schön geschnitten, farblich sortiert, man kann anfassen, nach Strukturen schauen und sich überlegen, was man denn gerne hätte. Dann nimmt man das Beispielstück des Papiers seiner Wahl und läßt sich die Bögen aus den Regalen holen. Alles schön fein säuberlich und ordentlich. Da gibt es vermutlich nichts mit Knicken oder sonstigen Schäden zu bemängeln.



Mein persönliches Highlight ist dann aber der achte (oder neunte, ich weiß es nicht mehr genau) Stock, wo die einzelnen Bögen von Washi (Chiyogami) und Co in den Regalen gestapelt sind. Bisher habe ich noch darauf verzichtet, mir einzelne Bögen zu kaufen, erstens, weil ich mich generell nicht entscheiden konnte und zweitens, weil ich mir vorher noch eine Nutzung überlegen will.


Von den kleineren Bögen eines anderen Papiers, die hier bei Itoya ebenfalls in den Regalen liegen, hatte ich ja bereits vor ein paar Jahren aus einem kleinen, gemütlichen, alteingesessenen Laden in Yanaka einige mitgenommen und die lagern immer noch schön säuberlich gerollt in meinem Papiervorrat. So geht das also nicht, da muss ich ein Projekt ins Auge fassen. Der Laden in Yanaka (Isetatsu) hatte mir einfach gut gefallen, weil er so individuell war, dagegen erinnert mich Itoya von seiner Art her eher z. B. an Ortloff oder Kautbullinger, zweckmäßig und modern nüchtern. Wobei schon Wert auf eine ansprechende Produktpräsentation gelegt wird, es gibt auch Bereiche mit kleinen Ausstellungen, wie z. B. der Chaos-Origami-Hase weiter unten, der aus einem Stück Papier gefaltet ist, schon beeindruckend. Aber nichts desto trotz ist die Auswahl bei Itoya berauschend.









Und die Frage, die mich mit am meisten interessiert ist, was genau machen die Japaner mit den Papieren, wenn sie sich so tolle große Bögen kaufen. Hängen sie sie als Bild an die Wand? Ich kann mir kaum vorstellen, dass diese mit Landschafts- oder anderen Motiven und nicht nur Mustern bedruckten Bögen einfach zum Geschenkeverpacken geknickt werden. Ein neues Forschungsprojekt…














Und wenn man abends bei Ladenschluss hinausläuft, wird man zum krönenden Abschluss wie in anderen Kaufhäusern auch von den Angestellten mit einer Verbeugung verabschiedet. Schon seltsam ist das, an dieses Gefühl würde ich mich glaube ich nie gewöhnen, ich empfinde das fast als unangenehm. Anderes Land, andere Sitten, hier ist der Kunde eben noch tatsächlich König.

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