Juli 18, 2015

Golden Gai

Am Freitag war ich wieder ein paar Stunden in Shinjuku unterwegs, diesmal allerdings nicht im Park, aber auch im Viertel auf der Ostseite des Bahnhofs. Auf der Westseite befinden sich die großen Wolkenkratzer der Banken und Büros sowie Tokios Rathaus, im Osten dagegen findet man viele Einkaufsmöglichkeiten, ein Unterhaltungsviertel mit Klubs, Bars und riesigen Pachinkohallen, in dem es nur so wimmelt und von riesigen Videoleinwänden herunterschallt, Gegenden mit viel rotem Licht in Kabukicho (einerseits nicht so auffallend tagsüber, weil man nicht in der Lage ist, zu lesen, an manchen Stellen aber doch recht eindeutig), aber auch stillere Ecken wie zum Beispiel beim Hanazono-jinja Schrein. Besonders wollte ich allerdings die Golden Gai besuchen, eine Gegend mit vielen minikleinen Bars, die von ihrer Größe her vermutlich im Durchschnitt nicht mehr als fünf bis zehn Gäste aufnehmen können. 


Wobei, als Kölner weiß man ja, was so an Leuten in eine Kneipe geht, wenn man ein bißchen presst. Und die Tokioter sind Enge ja schon aus ihren Zügen gewöhnt. Allerdings war ich dort nicht abends, sondern tagsüber unterwegs, als es noch ruhig und alle Lokalitäten geschlossen waren. Wenn Ihr Euch jetzt wundert, dass ich Freitag tagsüber Zeit hatte, ich hatte Urlaub.
Nachdem das Wochenende mit einem Feiertag kommenden Montag ein langes ist, hatte die Firma allen Mitarbeitern ans Herz gelegt, den Freitag auch noch einen Urlaubstag zu nehmen, da im Durchschnitt die Zahl der Überstunden aller viel zu hoch ist. Wie ich gelernt habe, können die Kollegen nicht wie bei uns einfach Überstunden abbauen, indem sie ganze Tage zuhause bleiben, sondern müssen jeden Tag in die Arbeit kommen, wenn ich das richtig verstanden habe. Der Chef kann zwar anordnen, dass sie dann früher nach Hause gehen, aber grundsätzlich müssen sie mindestens ein paar Stunden z. B. vormittags in der Arbeit sein. Den Vormittag hatte ich zuhause auf eine Postsendung warten müssen, die mir persönlich zugestellt werden mußte, was im Vorfeld auch der Hilfe eines Kollegen bedurft hatte (eine weitere Lektion in "wer die Sprache spricht, ist klar im Vorteil" - abgekürzt beschrieben: Zettel im Briefkasten, dem ich zumindestens durch einen einzigen englischen Satz "undeliverable item" und Japan Post entnehmen konnte, dass da wohl ein Brief auf mich wartete, die angegebene Telefonnummer für englische Auskunft ließ sich weder von meinem japanischen Prepaid Handy, noch mit meinem deutschen erreichen, also rief freundlicherweise einer meiner Kollegen dort an, Durchsagen dann natürlich nur japanisch, aber lange Rede, kurzer Sinn, Freitag stand dann der Postbote vor mir, die sehen hier in ihren Uniformen und den Helmen (vom Motorradfahren?) eher aus wie Polizei bei uns). Aber ich schweife ab. 
Zurück zum goldenen Viertel. 
















Wenn man tagsüber durchläuft, kann man sich schon vorstellen, dass dort einmal der Schwarzmarkt geblüht hat, die kleinen Häuschen wirken, als würden sie bald zusammenbrechen, auch wenn teilweise heftig renoviert wird. Auf ein paar hundert Metern drängen sich dort, durchzogen von Gassen, die für größere Fahrzeuge nicht geeignet sind und noch schmaleren Durchgängen, durch die gerade mal eine Person passt, an die zweihundert Lokalitäten. Interessanterweise muss man wohl bei den meisten Eintritt bezahlen, ob dadurch die Touristen abgeschreckt werden sollen? Daß das wirkt, bezweifele ich ja mal, hat also vielleicht einen anderen Grund. Irgendwie erscheint es unglaublich, dass ein solcher Ort in einer Stadt wie Tokio noch existieren kann und nicht schon dem Erdboden für weitere Hochhäuserbauten gleichgemacht worden ist, gerade auch in dieser Gegend. In einer anderen Stadt als Tokio hätte ich mich in einer solchen Gegend wahrscheinlich etwas unwohl oder unsicher gefühlt, aber hier war das überhaupt kein Thema. Ich bin auch abends noch einmal kurz zurück gekommen, da war schon deutlich mehr los. Ich kann mir auch vorstellen, dass eine solche Gegend gerade auf die vielen Anzugträger anziehend archaisch wirkt, die dort unterwegs waren. Dort gibt es auch ein kleines, aber nichts desto trotz scheinbar recht berühmtes Theater, wenn man den Einträgen im Netz glauben schenken darf.




Eigentlich hatte ich auch noch eine andere Straße suchen wollen, in der wir vor ein paar Jahren einmal abends noch kurz etwas essen waren, ich konnte sie allerdings nicht mehr finden. Damals waren wir von der Ostseite des Bahnhofs aus losgelaufen und ich hatte es mir wieder zu einfach vorgestellt, den Weg aus der Erinnerung zu finden. Kläglich gescheitert, wie ich auch am früheren Nachmittag schon wieder so manches Wunder erlebt hatte, ich sage nur "ach, ich bin ja im Kreis gelaufen, wer hätte das gedacht..." Hm... Ich weiß wirklich nicht, woran das liegt. An fehlenden optischen Anhaltspunkten? Daran, dass irgendwie alles so gleich aussieht (jedenfalls für mich (noch))? Daran, dass man sich nicht an Straßennamen orientieren kann (das Nummerierungssystem der Blöcke habe ich immer noch nicht durchschaut, mich aber ehrlicherweise auch noch nicht wirklich damit beschäftigt)? Daran, dass die hin und wieder aufgestellten Umgebungspläne nicht genordet sind? Gute Vorbereitung ist also für mich alles, so ohne Internet und GPS in der Stadt unterwegs. In Shinjuku konnte ich wenigstens von hier und da den markanten Mode Gauen Cocoon Tower ausmachen, so dass ich wieder ein grobes Gefühl für die Richtung bekommen konnte. Das muss besser werden. Andererseits denke ich mir, was solls, in Tokio unterwegs ist das an sich kein Problem, irgendwann kommt man immer an einem der zahlreichen Bahnhöfe von Japan Rail oder der Metro vorbei, dann steigt man einfach in irgendeine Bahn und läßt sich wieder zurück fahren. Jedenfalls bin ich während meiner Shinjuku Tour knapp sieben Stunden über den Asphalt getrabt, ohne dass ich das so extrem wahrgenommen hätte, außer daran, dass ich gestern Abend ziemlich ko war und die Füße weh taten. Und dass ich noch zahlreiche Fotos für weiter Themen habe, die ich demnächst mit Euch teilen kann. Denn ein bißchen nach Themen sortieren möchte ich meine Beträge hier, schon um selbst den Überblick zu behalten.
Die Strasse, die ich gesucht habe, war wohl übrigens Shomben Yokocho. Vielleicht schaffe ich es ja auch noch einmal dort hin, wo ich jetzt weiß, nach welchem Namen ich suchen muss. 


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